Zentrum für Neuropathologie und Prionforschung
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Geschichte des Instituts

Das Zentrum für Neuropathologie und Prionforschung (ZNP) in München steht in einer Tradition, die beinahe 200 Jahre zurückreicht. Deskriptive neuroanatomische Forschung in München geht auf Ignaz Döllinger, den ersten Ordinarius für Anatomie nach der Verlegung der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) von Ingolstadt nach München 1826, zurück und wurde von Nikolaus Rüdinger, der Gehirne berühmter Persönlichkeiten vergleichend untersuchte, fortgeführt. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelte Bernhard von Gudden, Psychiatrie-Ordinarius und Leiter der Anstalt Auf den Lüften in Haidhausen, neuartige neuroanatomischen Schneide- und Färbeverfahren und ist damit als Begründer der experimentellen Neuroanatomie anzusehen. Weltweit bekannt wurde die von Franz Nissl 1884 im Rahmen einer studentischen Preisarbeit der Münchner Fakultät entwickelte Färbung zur selektiven Darstellung von Nervenzellen. Die von von Gudden geprägte Tradition wurde nach seinem Tod, den er unter mysteriösen Umständen im Jahr 1886 zusammen mit König Ludwig II. im Starnberger See fand, von seinen Nachfolgern auf dem Psychiatrie-Lehrstuhl in abgeschwächter Form weitergeführt (u. a. von Anton Bumm), bis 1903 Emil Kraepelin zum Ordinarius für Psychiatrie an die Ludwig-Maximilians-Universität berufen wurde.

Er gründete die universitätseigene Königlich Psychiatrische Klinik und etablierte als einer der ersten Psychiater in Deutschland die Forschung im Labor, um mögliche biologische Ursachen psychischer Erkrankungen zu identifizieren. Alois Alzheimer war einer der ersten Wissenschaftler, der mit seiner Arbeit in diesem Labor habilitierte. Bekanntheit erlangte er durch die histologische Beschreibung einer Demenzerkrankung, die sein Mentor Emil Kraepelin in einem Lehrbuch 1910 nach ihm Morbus Alzheimer benannte. Das anatomische Labor unter Alzheimers Leitung, in dem die bekanntesten Wissenschaftler der damaligen Zeit arbeiteten und hospitierten, genoss international einen hervorragenden Ruf.

Nachdem Alzheimer München 1912 verlassen hatte, machte sich Emil Kraepelin daran, seine Idee einer von der Universität unabhängigen, interdisziplinären Forschungseinrichtung, die neben einer klinischen auch eine hirnpathologische, eine serologische und eine genealogisch-demografische Abteilung enthalten sollte, umzusetzen. Mit der finanziellen Unterstützung des US-amerikanischen Philanthropen James Loeb konnte schließlich im Jahr 1917 – inmitten der Wirren des Ersten Weltkriegs – die Deutsche Forschungsanstalt für Psychiatrie in München (DFA) eröffnet werden. Ziel war die Verbindung von Klinik und Wissenschaft. Da keine eigenen Räumlichkeiten vorhanden waren, wurde die neu gegründete Institution zunächst im psychiatrischen Universitätsklinikum untergebracht.

Unter den Abteilungsleitern und Direktoren der DFA in den Anfangsjahren finden sich bekannte Namen wie Franz Nissl, Entdecker und Namensgeber der Nissl-Färbung, Walther Spielmeyer, Verfasser des weltberühmten Lehrbuchs „Histopathologie des Nervensystems“, und Korbinian Brodmann, Entdecker und Namensgeber der Brodmann-Areale in der Großhirnrinde. Die Deutsche Forschungsanstalt erarbeitete sich durch die fruchtbare Kollaboration der Wissenschaftler den Ruf einer Art „Mekka der Hirnfoschung“, der sie weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt machte. Und das, obwohl sie noch immer kein eigenes Gebäude besaß, sondern in der psychiatrischen Klinik der Universität untergebracht war.

Im Jahr 1924 wurde die Deutsche Forschungsanstalt für Psychiatrie schließlich der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft (KWG) angegliedert, bevor sie vier Jahre später dank finanzieller Unterstützung der Rockefeller-Stiftung endlich ein eigenes Gebäude in der Kraepelinstraße erhielt, das die wissenschaftlichen Abteilungen und die Administration bezogen. Die klinische Abteilung, die 1922 im städtischen Krankenhaus München-Schwabing eröffnet worden war, blieb vorerst dort verortet. Während dieser Zeit fungierte Walther Spielmeyer als Leiter der Hirnpathologischen Abteilung und übernahm 1926 nach dem Tode Emil Kraepelins zusätzlich den Direktionsposten. Er schaffte es trotz der Doppelbelastung, das Renommee seines Labors sogar noch zu vergrößern, indem er es zum besten und modernsten seiner Zeit ausbaute. Obwohl er bereits im Jahr 1935 überraschend verstarb, nahm Walther Spielmeyer großen Einfluss auf die Entwicklung der Neuropathologie in Deutschland. Viele der weltweit bekanntesten Vertreter des Faches gingen aus der Spielmeyer-Schule hervor und blieben den Methoden ihres Mentors verhaftet.

Die Deutsche Forschungsanstalt für Psychiatrie überstand den Zweiten Weltkrieg – jedoch nicht ohne Kollaboration mit den Nationalsozialisten. Der Vorwurf, Hirnpräparate von durch die Euthanasie-Programme der Nationalsozialisten ermordeten Menschen zu Forschungszwecken benutzt zu haben und diese teilweise bis heute zu verwahren, wiegt schwer. Doch die Leitung des Max-Planck-Institutes, das aus der DFA hervorging, ist um Aufarbeitung bemüht und bestrebt, alle Mordopfer zu identifizieren, deren Präparate herauszugeben und sie anschließend angemessen zu bestatten. Ernst Rüdin, Direktor der Deutschen Forschungsanstalt während der NS-Zeit und überzeugter Vertreter der „Rassenhygiene“, war maßgeblich an der Ausarbeitung des „Gesetzes zur Verhütung erkrankten Nachwuchses“ beteiligt, auf dessen Basis die Euthanasie-Programme an psychisch erkrankten Menschen durchgeführt wurden.

Nach dem Zweiten Weltkrieg 1945 wurde der Neuropathologe Willibald Scholz, ein früherer Schüler Spielmeyers, zum neuen Leiter der DFA ernannt. Obwohl kaum Gelder zur Verfügung standen und sowohl ihr Gebäude als auch ihr Ruf zerstört waren, schaffte es Scholz, den Betrieb an der Deutschen Forschungsanstalt für Psychiatrie aufrechtzuerhalten. Auf Betreiben der West-Alliierten sollte im Jahr 1948 die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, zu der die DFA gehörte, umbenannt werden. Man wählte als Namensgeber den politisch unbescholtenen und international renommierten Physik-Nobelpreisträger Max Planck, der als Begründer der Quantenphysik gilt. Die Gründung der Max-Planck-Gesellschaft stand für einen demokratischen Neubeginn, nachdem einige Mitglieder ihrer Vorgängerin mit den Nationalsozialisten zusammengearbeitet und unethische Entscheidungen getroffen bzw. sich der Mittäterschaft schuldig gemacht hatten.
Während der Amtszeit von Willibald Scholz wurde die Deutsche Forschungsanstalt für Psychiatrie im Jahr 1954 offiziell in die Max-Planck-Gesellschaft integriert und in Max-Planck-Institut für Psychiatrie (DFA) umbenannt.

Einen Umbruch erlebte das Max-Planck-Institut für Psychiatrie, als 1961 der Neuropathologe und Schüler Spielmeyers Gerd Peters die Leitung übernahm. Fest dazu entschlossen, die konventionelle Forschungseinrichtung wieder in eine moderne Wissenschaftsstätte zu verwandeln, gab Peters innovativen und fortschrittlichen Fachgebieten den Raum, sich weiterzuentwickeln. Er gründete Abteilungen für Neurophysiologie, Neuropharmakologie und sogar für die Verhaltensforschung von Primaten. Neben der hirnpathologischen Abteilung gab es nun auch eine für experimentelle Neuropathologie. Diese Erweiterung führte dazu, dass das Max-Planck-Institut für Psychiatrie schließlich in zwei gleichwertige, selbstständige Einrichtungen geteilt wurde: das klinische und das theoretische Institut, aus dem 1998 das Max-Planck-Institut für Neurobiologie wurde. Doch trotz der Trennung blieben die Grundsätze bestehen, die von Anfang an tragende Säulen der Einrichtung gewesen waren: interdisziplinäre Forschung, wissenschaftliche Kollaboration und innovative Ideen. Noch heute existieren in München das MPI für Psychiatrie und das MPI für Neurobiologie.

Zur selben Zeit, Anfang der 1960er-Jahre, setzte auch Walter Büngeler, langjähriger Leiter des Pathologischen Institutes der Ludwig-Maximilians-Universität, auf Erweiterung und Interdisziplinarität. Und so schuf er innerhalb seiner Einrichtung eine neuropathologische Abteilung, die von dem erfahrenen Neuropathologen Otto Stochdorph aufgebaut wurde. Sie sollte an die lange, erfolgreiche Tradition auf dem Gebiet der Hirnforschung in München anknüpfen und war dem Geiste wegweisender Wissenschaftler wie Alois Alzheimer, Emil Kraepelin, Franz Nissl, Walther Spielmeyer und Willibald Scholz verhaftet. Schnell etablierte sich die Neuropathologie an der LMU als eigenständiges medizinisches Fachgebiet, bis sie schließlich von der Pathologie abgekoppelt und als Institut für Neuropathologie unabhängig wurde. Eine Entwicklung, die sich auch an anderen namhaften Universitäten in Deutschland zeigte, wo separate Lehrstühle für das Fach geschaffen wurden.

Wie eng die Verbindung zwischen dem Institut für Neuropathologie der LMU und dem damals noch sogenannten Max-Planck-Institut für theoretische Psychiatrie war, zeigt sich an der Besetzung der Professur mit Parviz Mehraein 1983. Bevor dieser nämlich den Lehrstuhl übernahm, arbeitete er 16 Jahre lang für und mit Gerd Peters am MPI. Daraus entstand eine enge Freundschaft und gemeinsam blieben sie dem Geiste ihrer Vorgänger treu.

Nachdem sich Mehraein im Jahr 2000 in den Ruhestand verabschiedet hatte, übernahm Hans Kretzschmar, Experte auf dem Gebiet der Prionkrankheiten, die Leitung des Instituts. Unter ihm wurde es zum Zentrum für Neuropathologie und Prionforschung (ZNP) und erhielt im Jahr 2004 ein eigenes Gebäude auf dem High-Tech-Campus der LMU in Großhadern. Leider verstarb Prof. Kretzschmar bereits mit 61 Jahren im Januar 2014.

Das ZNP ist heute eines der größten und bestausgestatteten Institute seiner Art. Seit 2016 steht ihm Jochen Herms als Direktor vor. Die Schwerpunkte liegen auf der Erforschung molekularer Entstehungsmechanismen in Mausmodellen mit modernen mikroskopischen Verfahren und der Entwicklung neuartiger Ansätze für die Diagnostik und Therapie von neurodegenerativen Erkrankungen wie dem Morbus Alzheimer.